Dies ist die zweite Aufnahme, die Jean-Guihen Queyras von Johann Sebastian Bachs sechs Cellosuiten gemacht hat, und sie ist ganz anders als die erste von 2007. Den ersten Grund dafür liefert das CD-Paket mit, denn dem liegt als Bonus-Blu-ray der Videomitschnitt der Produktion von „Mitten wir im Leben sind“ bei. Queyras’ Bach-Spiel wird hier von einer Choreografie Anne Teresa De Keersmaekers flankiert, getanzt von ihrer Kompanie Rosas, und das Tänzerische hat deutlich hörbar Eingang gefunden in die Neueinspielung.
Den zweiten Unterschied liefern Harmonie und Bass: Auf seinem resonanzreichen Gioffredo-Cappa-Cello von 1696 erzählt Queyras Bachs musikalische Konstruktionen aus den Zusammenklängen und aus den harmonisch-melodischen Zielpunkten heraus. Die wirken hier zuweilen wie ein Trampolin: Fest auf dem Boden stehend, sorgt es für weichen Aufprall und katapultiert die Musik zwischen den Absprüngen hoch in die Luft. Tatsächlich wirken Sätze wie etwa die Sarabande aus der ersten oder die Gigue aus der dritten Suite in weiten Teilen wie schwerelos, die Bögen zwischen den harmonischen Pfeilern spannt Queyras leicht und weit, sein Klang ist weich und silbrig (was er selbst im Booklet-Interview auch auf seine Beschäftigung mit der Gambe zurückführt). Der Orientierung am harmonischen Verlauf folgt eine natürliche Gewichtung zwischen leichten und schweren Taktzeiten. Dieser Erzählfluss, in dem immer wieder (besonders sprechend in der Gigue der sechsten Suite) Momente eines Dialogs auftauchen, hat nirgends etwas künstlich Geformtes oder Aufgestautes: als würde diese Musik im Moment erst erfunden. Zu einem Musiker, der stark auch in der Neuen Musik verwurzelt ist, könnte das besser nicht passen.

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