Heidelberg. Nicht nur in der Götterwelt konnten die Thraker mit den Griechen locker mithalten. Besonders ausgeprägt war auch ihr Sinn für Schönheit: im Schmuck, in der Poesie oder in der Musik. Diese wiederzuentdecken ist das Programm vier herausragender Musiker: “Frühlings”-Allround-Cellist Jean-Guihen Queyras, Sokratis Sinopoulos aus Griechenland, einem Spezialisten für Lyra und Kamancheh (auch genannt Stachelgeige) sowie den zwei iranischen Perkussionisten Bijan und Keyvan Chemirani mit ihren Trommeln Zarb, Daf und Tombak. Ein direkter Austausch der Musikkulturen also vor filmkulissenreifem Ambiente in der Heiliggeistkirche: Inmitten von in rötliches Licht getauchten hohen Säulen begann zunächst Queyras allein.

Marco Stroppas “Ay, there’s the rub” machte diese gespenstische Szene komplett. Beklemmend waren die zutage geförderten Klangsubstrate, die sich mit minimalsten Bogenkontakt mal auf zerbrechlichstem Eis bewegten, dann mit tiefer Sonorität brutale Aggressionen schürten. Absoluter Kontrast dazu war Ross Dalys “Karsilamas” über eine alte keltische Melodie. Im Quartett erweckte diese auflockernde Volkstümlichkeit mit rhythmisierendem Schlagwerk wesentlich konkretere Vorstellungswelten, die besonders Landschaftsbilder vor Augen treten ließen.

Und so ging es weiter im Wechsel zwischen neuer und alter Musik, avantgardistischer wie Kurtags “Jelek, játékok és üzenetek” oder Lutoslawskis “Sacher-Variationen” und Traditionellem; oft in Eigenkompositionen oder improvisiert, wo man sich augenblicklich in fremde Welten hineinversetzt fand. Auffallend war, dass westliche Musik dem Hörer gegenüber viel deutlicher in die Offensive ging, voller Angriffslust und Direktheit, stets von innerer Anspannung getrieben, während die arabischen Weisen besonders der Fantasie Freiraum ließen.

Eine kleine Sensation war die an Virtuosität kaum zu übertreffende Percussion-Improvisation. Faszinierende Fingerspiele auf dem Trommelfell deckten nicht nur ein enorm breites dynamisches Spektrum ab, sondern zauberten auch Tonleitern hervor. Restlos überzeugt hat an diesem Abend ebenso der “Artist in Residence” Queyras, der sich als Alleskönner in jede Stilistik grandios einzufinden verstand. Eine außergewöhnliche Synthese dieser so unterschiedlichen Kulturen.

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